Stadt Osnabrück löst Ukraine-Stab auf

(PM)Aktuell kommen nur noch wenige Menschen aus der Ukraine nach Osnabrück. Deshalb löst die Stadt den Ukraine-Stab Ende Juni auf. Viel hat die Stadt gemeinsam mit ihren Partnern in den vergangenen Monaten auf die Beine gestellt. Doch die Herausforderungen bleiben groß.

Insgesamt 2.004 Geflüchtete aus der Ukraine haben sich seit Beginn des russischen Angriffskrieges bei der Osnabrücker Ausländerbehörde gemeldet. Viele von ihnen haben bei Bekannten, Verwandten oder auf anderem Wege Unterkünfte gefunden. Bereits kurz nach Beginn des Krieges hat die Statistikstelle der Stadt zudem über ein Online-Formular Bürgerinnen und Bürger, die zeitweise Wohnraum zur Verfügung stellen konnten, um Unterstützung gebeten. Insgesamt 742 Angebote hat die Stadt so erhalten. 540 Geflüchtete konnten in 168 Unterkünfte vermittelt werden.

„Dass sich diese Menschen, die von einem Tag auf den anderen ihre Heimat verlassen mussten, den Umständen entsprechend gut aufgenommen fühlen, ist vielen Helferinnen und Helfern zu verdanken“, sagt Oberbürgermeisterin Katharina Pötter. „Ich danke ausdrücklich allen Trägern, Vereinen und Verbänden, die uns bei der Aufgabe unterstützen sowie allen Freiwilligen, die über die städtische Freiwilligen-Agentur oder auf anderem Wege ihre Unterstützung angeboten haben sowie den Kolleginnen und Kollegen aus der Verwaltung.“

Nun gilt es, die Menschen langfristig unterzubringen. Vor diesem Hintergrund hat sich der Schwerpunkt der Wohnraumvermittlung hin zur Suche nach abgeschlossenen Wohneinheiten verlagert. Aktuell werden besonders Wohnungen für zwei Personen gesucht, aber auch Wohnraum für Familien wird benötigt. Wer eine freie Wohnung oder ein freies Haus besitzt und gegen Bezahlung einer angemessenen Miete zur Verfügung stelle möchte, kann sich online registrieren.

In vielen Bereichen sind es die Ehrenamtlichen, die den Geflüchteten das Einleben in Osnabrück vereinfachen. Bei der Freiwilligen-Agentur haben sich seit dem russischen Angriff 700 Freiwillige gemeldet, die dolmetschen, Menschen zu Behörden- oder Arztterminen begleiten, Möbel transportieren, Fahrten übernehmen, bei der Wohnungseinrichtung helfen oder psychologische Unterstützung anbieten. Rund 400 Freiwillige hat die Agentur bislang vermittelt.

Gibt die Stadt Formulare oder Briefe in russischer oder ukrainischer Sprache heraus, stammt die Übersetzung von Freiwilligen. Ebenso ist es mit den Texten auf der Website, wo die Geflüchteten eine Vielzahl an Informationen finden. Um ihnen bestmöglich helfen zu können, arbeitet die Freiwilligen-Agentur eng mit der Flüchtlingssozialarbeit, der Caritas, der Diakonie, dem Exil-Verein, Outlaw, den Kirchengemeinden, der Osnabrücker Tafel und weiteren Partnern zusammen. Bei der Bewältigung der vielen Herausforderungen konnte die Stadt dabei auf ihr Integrationskonzept zurückgreifen, das die Flüchtlingssozialarbeit in Osnabrück etabliert und sämtliche Akteure in der Integrationsarbeit miteinander verzahnt hat.

Die wichtigsten Infos für Geflüchtete, aber auch für Menschen, die helfen wollen, waren bis Ende Mai über die Hotline der Stadt zu erfragen. Sie wurde bereits am 28. Februar eingerichtet und verzeichnete bis Ende Mai 2.755 Anrufe. Unter Federführung des Sachgebietes Bürgerbeteiligung, Freiwilligenengagement und Senioren arbeiten hier städtische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verschiedener Fachbereiche zusammen und beantworten Fragen zur Anmeldung in Osnabrück, Unterkünften und vielem mehr in deutscher, ukrainischer und russischer Sprache.

Ein weiteres Beispiel, bei dem der Kraftakt gelungen ist, sind die Leistungen zum Lebensunterhalt. Diese erhielten die Geflüchteten bis Ende Mai über das Asylbewerberleistungsgesetz mit dem städtischen Fachbereich Soziales als Ansprechpartner. Seit Anfang Juni ist das Jobcenter für Lebensunterhalt und Arbeitsvermittlung zuständig, wenn die Menschen aus der Ukraine die Voraussetzungen erfüllen. „Dieser Rechtskreiswechsel ist mit einem hohen Aufwand verbunden und bedarf viel Koordinierung“, erklärt Heike Pape, Vorstand für Soziales, Bürgerservice und Personal. Rund 700 Leistungsanträge wurden von rund 900 erwerbsfähigen Personen innerhalb kurzer Zeit gestellt. Hinzukommen noch Leistungen für Kinder unter 14 Jahren.

Viel Koordinierung ist auch mit Blick auf die Betreuung der Kinder, die auf der Flucht vor dem Krieg nach Osnabrück gekommen sind, notwendig. 42 ukrainische Kinder konnten bereits in Kindertagesstätten in Osnabrück vermittelt werden. Das entspricht knapp einem Drittel der hier gemeldeten Kinder aus den entsprechenden Altersstufen. Die Kinder konnten zum Teil freie Plätze in Anspruch nehmen, die beispielweise durch Umzug innerhalb der vergangenen Monate an einigen Kitas frei wurden. Auch war es in mehreren Kitagruppen möglich, Kinder zusätzlich aufzunehmen und damit die „+1-Regelung“ des Landes Niedersachsen zu nutzen. Hier handelt es sich vor allem um Kinder, die ab Sommer in die Grundschule wechseln und denen dadurch ermöglicht wird, sich in das Bildungssystem und die Sprache einzufinden, Freundschaften zu schließen und einen guten Übergang in die Grundschule zu erhalten. „Die Stadt Osnabrück verfolgt hier den Ansatz, keine gesonderten Kitagruppen für ukrainische Kinder zu eröffnen, sondern die Kinder in bestehende Gruppen und Angebote zu integrieren“, sagt Erster Stadtrat Wolfgang Beckermann. „Nur so kann Integration funktionieren.“

Dabei ist es unerheblich, ob die Kinder aus der Ukraine oder aus anderen Ländern nach Osnabrück gekommen sind. Die Platzvergabe für freie Plätze, auch für das kommende Kitajahr ab Sommer, erfolgt nach wie vor nach festgelegten Kriterien. Dabei spielen Aspekte wie Sprachförderbedarfe, Berufstätigkeit der Eltern, individuelle Notlagen, aber auch der Status „alleinerziehend“ eine Rolle. Die Bedarfe von Familien werden also gleichermaßen berücksichtigt, eine Bevorzugung ukrainischer Kinder gegenüber anderen Kulturkreisen oder deutschen Familien erfolgt nicht.

Für die Familien bieten die Familienbegleiterinnen offene Spielkreise und Spielplatzaktionen an. Die Angebote stehen allen Familien offen und können ohne Voranmeldung wahrgenommen werden. Auch etliche Träger haben niedrigschwellige Angebote wie Spiel- und Mutter-Kind-Gruppen konzipiert, die bedarfsgerecht an den Start gehen können. Sind Kinder und Jugendliche ohne Eltern, sondern in Begleitung volljähriger Geschwister, Verwandter oder von Freunden der Familie nach Deutschland geflüchtet, nimmt der Fachdienst Familie Kontakt auf und bietet bei Bedarf erzieherische Unterstützung an. Die aktuelle Situation unterscheidet sich wesentlich von der Situation 2015/16, in der viele unbegleitete minderjährige Geflüchtete aus Syrien und afrikanischen Ländern auch in Osnabrück eintrafen. Die Kinder und Jugendlichen aus der Ukraine sind bisher fast ausnahmslos in Begleitung hier.

Eine besondere Herausforderung ist, dass die Träger von Kindertagesstätten noch immer auf die Entscheidung des Landes Niedersachsen warten, ob die Möglichkeiten, weitere Kinder in bestehende Gruppen zu integrieren, Raumstandards dafür zu senken und die Gruppengröße um ein Kind zu erhöhen, über den 31. Juli hinaus fortgesetzt werden. Je nach Fachkräfte- und Gruppensituation in den jeweiligen Kitas kann eine solche Absenkung von Vorgaben helfen, weitere Kinder in die Kindertagesbetreuung zu integrieren. „Mein besonderer Dank geht an die Fachkräfte in den Kindertagesstätten aller Träger, die durch die Corona-Pandemie und den Fachkräftemangel bereits stark herausgefordert sind“, betont Wolfgang Beckermann. „Sie tragen wesentlich dazu bei, dass sich Familien auch aus der Ukraine in Osnabrück wohlfühlen.“

Um für Schülerinnen und Schüler, die nicht unmittelbar mit einem Schulplatz versorgt werden konnten, Unterrichtsstrukturen bereitzustellen und einen ersten Input zum Deutschen als Zweitsprache zu vermitteln, hat die Stadt ab Mai Übergangsangebote realisiert. Hierfür wurden drei Lehrkräfte eingestellt, die die Lerngruppen leiten und von Ehrenamtlichen unterstützt werden. Für Eltern wurde direkt in der Erstaufnahmestelle Käthe-Kollwitz-Schule ein Sprachkurs mit Kinderbetreuung angeboten. Für Menschen über 60 beginnt in Kürze ein Sprachkurs.

Darüber hinaus hat die Stadt Spenden eingeworben, um allen zugewanderten und geflüchteten Kindern im Kita- und Schulalter Willkommensrucksäcke mit altersgerechtem Schul- und Bastelmaterial bereitzustellen. Eine weitere Spendeneinwerbung ermöglicht es, dem deutlich werdenden Bedarf an Kinder-Sportbekleidung zu begegnen und die Familien bei deren Beschaffung zu unterstützen. In beiden Fällen erfolgt die Finanzierung jeweils zur Hälfte durch Spenden und aus Mitteln der Stadt Osnabrück.

Um die Koordinierung und Verteilung der Schulplätze für Familien und Schulen zu erleichtern hat die Stadt frühzeitig die Programmierung eines hierfür geeigneten Online-Tools in Auftrag gegeben, auf das alle Schulen sowie Schulträger zugreifen können. Dieses wird in Kürze freigeschaltet und die Platzvergabe im Sinne aller Beteiligten deutlich verbessern.

In der Regionalen Arbeitsstelle zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien (RAZ) finden alle Zugewanderten und Geflüchteten mit schulpflichtigen Kindern kompetente und individuelle Beratung in schulbezogenen Fragen. Zur Unterstützung der Beratungs- und Informationsangebote hat die Stadt sehr zeitnah schulbezogenes Informationsmaterial in ukrainischer Sprache bereitgestellt.

In der Versorgung der innerhalb weniger Wochen zugewanderten rund 500 Kinder und Jugendlichen im schulpflichtigen Alter liegt eine der größten aktuellen Herausforderungen. Hier gibt es neben dem Bedarf an Schulplätzen insbesondere eine hohe Nachfrage nach Sprachfördermöglichkeiten, beispielsweise durch Sprachlernklassen an den Schulen. Allein die Koordination und Abstimmung von Angeboten, die Vorbereitung der Lehrkräfte für die Übergangsangebote in der Käthe-Kollwitz-Schule und natürlich die Beratung selbst machen derzeit den Einsatz personeller Ressourcen in erheblichen Umfang erforderlich. Hier besteht ein enger Kontakt zwischen Schulen, Regionalem Landesamt und Schulträgern, um Angebote zu machen und gleichzeitig Doppelstrukturen zu vermeiden. Dieser Prozess ist angestoßen, aber bei Weitem noch nicht abgeschlossen.

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