Studie: Bistum behandelt Betroffene sexualisierter Gewalt abweisend

(dpa)In einer Studie zur sexualisierten Gewalt im Bistum Osnabrück sind etliche Verstöße der katholischen Kirche im Umgang mit Betroffenen festgestellt worden. Dabei gehe es um die Pflichten zu Hilfeleistung und zur finanziellen Anerkennung des Leids, erläuterte Hans Schulte-Nölke, Juraprofessor an der Universität Osnabrück, am Dienstag. Den Betroffenen sei als Kindern durch Priester Schreckliches angetan worden, vielfach sei ihr ganzes Leben durch diese Gewalterfahrung beeinträchtigt. «Die Aktenlage hat uns nicht den Eindruck vermittelt, dass das Bistum Osnabrück die Ansprüche der Betroffenen stets wohlwollend prüfte. Betroffene wurden bürokratisch und abweisend behandelt», sagte der Wissenschaftler.

Im Zwischenbericht zu dem auf drei Jahre angelegten Forschungsprojekt liegt der Fokus auf den Fällen von 15 beschuldigten Priestern und einem Diakon. Untersucht wurde das Verhalten der Kirchenführung nach Bekanntwerden der Vorwürfe. Dazu wurden bisher nach Hochschulangaben über 300 Akten ausgewertet und Interviews mit 34 Personen aus der aktuellen und ehemaligen Bistumsleitung geführt, darunter Bischöfe, Generalvikare und Personalreferenten.

Indivuelle Pflichtverletzungen wies das Forscherteam bei verantwortlichen Bischöfen nach. «Sie haben gefährliche Priester im Amt gelassen oder in eine andere Gemeinde versetzt», sagte Schulte-Nölke. Der amtierende Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode habe ebenfalls mehrfach gefährliche Priester in ihren Ämtern belassen. Ungefähr seit dem Jahr 2010 sei allerdings ein Wandel feststellbar, beschuldigte Priester würden schneller aus dem Dienst genommen, erläuterte der Rechtswissenschaftler.

Bode ist seit 1995 Bischof des Bistums Osnabrück und seit 2017 stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Der 71-Jährige will sich am Donnerstag bei einer Pressekonferenz zu den ersten Ergebnissen der unabhängigen Studie äußern.

Das Bistum Osnabrück hatte das Team aus Rechtswissenschaftlern und Historikern beauftragt, die sexualisierte Gewalt an Minderjährigen und schutzbedürftigen Erwachsenen auf seinem Gebiet seit 1945 zu untersuchen. Dafür stellte die Kirche 1,3 Millionen Euro bereit. Bis 1995 gehörte auch das heutige Erzbistum Hamburg zum Bistum Osnabrück. Es umfasst zudem Gebiete im westlichen Niedersachsen sowie Teile der Stadt Bremen.

Der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche war 2010 aufgedeckt worden. Wie sich herausstellte, hatten Priester seit 1945 Tausende von Kindern sexuell missbraucht. Nur ein winziger Bruchteil der Taten wurde strafrechtlich verfolgt, vieles wurde von der Kirchenleitung vertuscht. Auch in der evangelischen Kirche sind Kinder und Schutzbedürftige Opfer von Übergriffen geworden. Einige Betroffene werfen der evangelischen Kirche eine schleppende Aufarbeitung vor.

Symbolbild ©OS-Radio